Ein großer Sprung für die Menschheit

Von der Erde zum Mond

Ein großer Sprung für die Menscheit

Jules Verne (1828 – 1905)
Werke wie „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“, „20.000 Meilen unter dem Meer“ oder „Reise um die Erde in 80 Tagen“ machen Jules Verne zu einem der frühesten Science-Fiction-Autoren. „Von der Erde zum Mond“ gilt als erster Wissenschaftsroman der Literaturgeschichte.

 

Science Fiction Meets Reality

Schon einhundert Jahre vor der ersten Mondlandung skizziert Jules Verne einen Flug zum Erdtrabanten. In seinem wissenschaftlichen Roman „Von der Erde zum Mond“ schießen die ehrenwerten Gentleman des Gun Clubs von Baltimore ein bemanntes Projektil mit einer Riesenkanone ins All. Die tatsächliche Mondlandung erfolgt erst 1960, als eine Rakete drei Astronauten zum Mond bringt. Doch hätte auch Jules Vernes Idee mit der Kanone funktioniert? Wie viel Realtität steckt in seiner Vision von 1865?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich vor allem zwei Aspekte näher ansehen: die Fluchtgeschwindigkeit und die Beschleunigungskräfte, die auf die Kapsel wirken.

Die sogenannte Fluchtgeschwindigkeit von 11,2 km pro Sekunde muss ein Raumfahrzeug erreichen, um die Erde gegen die Gravitation verlassen zu können. Konnte die Weltraumkanone des Gun Clubs diese Mündungsgeschwindigkeit erzielen? Immerhin hatte Ihr Lauf (ein senkrechter, mit Gusseisen ausgegossener Schacht) eine Länge von 274,3 m und die Treibladung für das 9t schwere Aluminium-Projektil bestand aus 181 Tonnen Sprengstoff (Nitrozellulose). Die Literatur kommt unter idealisierten, stark vereinfachten Bedingungen zu dem Schluss, dass die Kanone lediglich eine Austrittsgeschwindigkeit von 3.000 m/s geschafft hätte – viel zu wenig, um die Erde verlassen zu können. Die Kapsel und ihre Passagiere wären vor Erreichen des Weltraums zurück auf die Erde gestürzt.

Doch auch aus einem weiteren Aspekt ergeben sich Probleme: Bei einer Beschleunigung von 0 auf 11,2 km/s über nur 274 m hätten die Insassen eine Belastung von mehr als der 20.000-fachen Erdbeschleunigung (g) erfahren. Zum Vergleich: Bei untrainierten Menschen tritt schon bei einer Aufwärtsbewegung mit 5 bis 6g Bewusslosigkeit ein (das Blut sackt vom Kopf aus in Richtung Füße). Der Maximalwert, den die trainierten Astronauten in einer Apollo-Kapsel beim Wiedereintritt in die Erdatmksphäre aushalten müssen, war 7g, in den russischen Sojus-Kapseln bis 10g. Daraus folgt, dass die Raumfahrer schon den Start nicht überlebt hätten. Um die Beschleunigung auf noch verträgliche 20g zu reduzieren, müsste man die Beschleunigungstrecke auf 300 km verlängern.

 

Jules Verne – ein genialer Visionär

Gleichwohl hat Jules Verne viele Aspekte der modernen Raumfahrt richtig vorhergesehen bzw. erläutert.

// Der Startplatz Tampa in Florida liegt fast auf dem gleichen Breitengrad wie Cape Canaveral. Beide sind dem Äquator besonders nah, wodurch ein Start einfacher ist.

// Auch die Schwerelosigkeit hat Verne richtig beschrieben, wobei er wie seine Zeitgenossen davon ausging, dass diese nur für kurze Zeit, dort wo sich die Anziehung von Erde und Mond neutralisieren, besteht. Das dem nicht so ist, wurde erst 1970 von Albert Einstein erkannt.

// Jules Verne wusste, dass ein Verlassen der Erde eine Frage der Geschwindigkeit ist. Mit 12.000 Yard pro Sekunde (10,97 km/s) lag er für damalige Zeiten schon recht genau an der tatsächlichen Fluchtgeschwindigkeit (11,2 km/s).

// Aluminium und Nitrozellulose waren 1865 absolut Hightech. Auch heute kommen in der Raumfahrt vornehmlich Hightech-Materialien zum Einsatz.

// Außerdem hat er die Wasserung auf dem Meer bei der Rückkehr  aus dem All richtig vorhergesehen.

 

Wie lief der Mondflug tatsächlich ab?

Der Start der Apollo-Raketen erfolgt ebenfalls senkrecht, aber von den Startrampen LC-39A und LC-39B des Kennedy Space Centers in Cape Canaveral in Florida – nur 200 km von Jules Vernes Startplatz Tampa entfernt.
Ihr Antrieb bestand aus einer Reihe von Stahltriebwerken, die sich aus Brennkammer und Düse zusammensetzen. In den Brennkammern der Triebwerke werden der Raketentreibstoff RP-1 (Stufe 1) sowie Wasserstoff (Stufen 2+3) mit flüssigem Sauerstoff vermischt und gezündet. Die Verbrennungsgase dehnen sich in der Kammer aus und entweichen durch die enge Düse. Der entstehende Rückstoß treibt die Rakete vorwärts. der Start erfolgt dabei relativ langsam: Bei Brennschluss der 1. Stufe fliegt sie lediglich mit 2,39 km/s. Erst am Rand der Atmosphäre beschleunigt sie die dritte Stufe auf Höchstgeschwindigkeit (10,8 km/s). Dadurch reduziert sich der Luftwiderstand (ein Faktor, den Jules Verne nicht beachtet hat) und die Belastung der Astronauten sinkt auf verträgliche 3 bis 4g (die durch die Sitzanordnungen allerdings auch nur nach hinten auf den Rücken wirken).

Nach mehreren Testflügen startet am 16. Juli 1969 Apollo11. Vier Tage später, am 20. Juli um 19.17 Uhr deutscher Zeit, landet die Mondfähre Eagle auf der Mondoberfläche. Um 1.56 Uhr betritt Neil Armstrong dann als erster Mensch den Mond und sagt, was sicher schon Jules Verne dachte: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“

 

 

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