Scheitern als Chance

Scheitern als Chance

Fail again. Fail better.

Nicht jede Vision wird Realität – Träume zerplatzen wie Seifenblasen, und sorgfältig ausgearbeitete Zukunftspläne scheitern daran, dass sich das wahre Leben einfach nicht an sie halten will.

Manche Ideen sind ihrer Zeit auch einfach voraus, so wie der Apple Newton, ein PDA (Personal Data Assistant), der außer Telefon und mobilem Internet schon 1993 viele Eigenschaften eines Smartphones aufwies, letztlich aber an seiner mangelhaften Schrifterkennung scheiterte. Der Newton ist kein Einzelfall: Etwa 80 bis 90 Prozent aller Produktinnovationen scheitern. Im schwedischen Helsingborg ist ihnen sogar ein Museum gewidmet, in dem Flops wie die Zahnpasta mit Lasagnegeschmack (Colgate) ausgestellt werden. Andererseits ist es vermutlich ein echter Glücksfall, dass der Ford Nucleon (1958) mit Kernreaktor im Kofferraum nie auf die Straßen kam. Im schlimmsten Fall müssen Visionäre das Scheitern ihrer Träume sogar mit dem Leben bezahlen – so wie der abgestürzte Flugpionier Otto Lilienthal oder der Polarforscher John Franklin, der 1845 auf der Suche nach der Nordwestpassage mit Mann und Maus im Eis verschwand.

Dem Scheitern haftet bei uns häufig noch das Stigma des Versagens und der Schwäche an. In anderen Ländern ist das nicht so. Ein Indiz für eine gänzlich andere Fehlerkultur ist etwa die deutlich höhere Zahl von Start-up-Unternehmensgründungen in den offener eingestellten USA, die in einem krassen Gegensatz zur eher gehemmten Innovationsfreude in Deutschland steht.

Wie wertvoll ein offener Umgang mit Fehlern ist, zeigt die Luftfahrt. In den 1970er-Jahren fand man heraus, dass in Flugzeugen alle vier Minuten ein Fehler passiert. Daraufhin wurde ein Verhaltenskodex formuliert. Seitdem wird im Cockpit ohne Vorwurf, sachlich und neutral, auf Fehler hingewiesen. Der Hinweis wird unabhängig von der Hierarchie angenommen und mit einem einfachen Dankeschön quittiert. Fehlerketten, die zur Katastrophe führen, werden unterbunden. Dadurch sank das Risiko, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben zu kommen, seit 1965 von 133 zu einer Million auf heute nur noch zwei zu einer Million.

Und überhaupt, wer sagt eigentlich, dass Scheitern etwas Schlechtes sein muss? Tatsächlich haben Fehlschläge häufig etwas Gutes. So scheiterte der Chemiker Spencer Silver zwar kläglich an der Entwicklung eines Superklebers, legte mit der äußerst dürftigen Haftwirkung seines Experiments aber den Grundstein für den Siegeszug des Klebezettels. Noch wichtiger war eine kleine Nachlässigkeit des Arztes Alexander Fleming, der vor seinem Urlaub eine Petrischale mit Staphylokokken offen stehen ließ und vergaß. Nach seiner Rückkehr wucherte ein Schimmelpilz auf der Agarplatte, doch die Bakterien waren verschwunden: Flemming hatte Penicillin entdeckt, das erste Antibiotikum der Welt, das später Millionen von Menschenleben rettete. In diesen beiden Beispielen werden Fehlschläge zur Geburtsstunde bahnbrechender Innovationen. Auch deshalb sollten wir das Scheitern als großartige Chance begreifen.

Neue Wege einzuschlagen, bedeutet nun mal das Eingehen von Risiken. Das mag auf kurze Sicht beängstigend erscheinen, doch nur so ergeben sich neue Perspektiven. Statt ein Scheitern um jeden Preis vermeiden zu wollen, sollte man Fehlschläge als wertvolle Bereicherung ansehen, aus denen man lernen kann. Fehlervermeidung um jeden Preis bedeutet Stillstand und Scheitern in einer sich immer schneller verändernden Welt.

Und wenn es doch passiert? Dann sollte man den Misserfolg selbstkritisch analysieren, ohne nach Schuld und Schuldigen zu suchen. Es hilft ohnehin nicht, den Blick zurück auf nicht mehr veränderbare Tatsachen zu richten. Es geht darum, das eigentliche Problem zu benennen und über Lösungen und Konsequenzen für die Zukunft nachzudenken. Es geht auch darum, loszulassen, den Rückschlag zu akzeptieren, Verantwortung für den Fehler zu übernehmen und das eigene Handeln zu ändern. Mit vorwärtsgerichtetem Blick kann man sich dann neuen Zielen widmen. Angst vor dem Scheitern ist dabei übrigens völlig fehl am Platz, denn der ständige Gedanke an Fehler führt zwangsläufig zu neuen Fehlern.

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