Zum Licht

Wohl kaum etwas ist so wichtig zur Orientierung wie das Licht.

Wohl kaum etwas ist so wichtig zur Orientierung wie das Licht. So lässt uns die Sonne morgens wissen, wo Osten ist. Mittags zeigt sie uns den Süden und am Abend den Westen. Den Norden markiert das Licht von Stella Polaris, dem Polarstern, das 430 Jahre durch den Raum reist, bevor es die Erde erreicht. Sogar Vögel kennen den Fixstern und nutzen ihn, um sich auf ihren Wanderungen zu orientieren. Über Jahrhunderte folgten Seefahrer dem Schein von Sonne und Sternen, um über die Weltmeere zu segeln. Später halfen ihnen das Leuchten und die Blinkabfolgen von Leuchttürmen und Fahrwassermarkierungen, um sicher zurück in den Hafen zu finden.

Interessanterweise ist das Licht selber gar nicht sichtbar. Erst wenn es auf einen Gegenstand trifft und reflektiert wird, sehen wir es. Dabei reflektieren zum Beispiel Blätter besonders viel grünes Licht und Ketchup besonders viel rotes Licht. Dieses gelangt durch die Pupille auf die Netzhaut, wo es unsere Sehnerven reizt und vom Gehirn zu einem Abbild der Realität geformt wird. Selbst bei Neumond sind wir so noch in der Lage, uns in der Dunkelheit zurechtzufinden. Natürlich orientieren wir uns auch per Gehör und über unseren Tastsinn – die Augen erleichtern es uns aber ungemein zu erkennen, wo wir uns genau befinden und womit wir es gerade zu tun haben. Sogar Einzeller wie das Augentierchen navigieren mithilfe von Licht, um eine möglichst effiziente Fotosynthese zu betreiben.

Licht hilft auch in Liebesangelegenheiten. Was dem Menschen der romantische Kerzenschein, ist dem weiblichen Glühwürmchen das Luziferin, das seinen Hinterleib leuchten lässt, um ein männliches Würmchen anzulocken. Sich dem Licht zuzuwenden, muss aber nicht immer ein Happy End haben. Findet ein Tiefsee-Fischlein Gefallen an einem unwiderstehlichen Leuchten, endet es schnell zwischen den spitzen Zähnen des Tiefsee-Anglerfisches, der seine Beute mithilfe biolumineszenter Bakterien an seine Angel lockt.

Und auch wir Menschen seien gewarnt: So heißt es von Personen, die eine Nahtoderfahrung hatten, dass man in den letzten Momenten seines Lebens ein helles Licht sehe – was Neurowissenschaftler allerdings nur auf den vorübergehenden Verlust von Hirnfunktionen zurückführen.

 

 

 

Wie konnten die Wikinger bis nach Grönland und Nordamerika navigieren? Der Sigurd-Legende nach nutzten sie dazu einen »sólarsteinn«, einen Sonnenstein, vermutlich aus dem durchsichtigen Mineral Kalzit. Die Steine ermöglichen es, den Stand der Sonne zu ermitteln.

 

 

 

 

 

Die Larven von Drosophila melanogaster, besser bekannt als Fruchtfliege, orientieren sich vom Licht weg – ganz ohne Augen. Das »Sehen« übernehmen lichtempfindliche Nervenzellen unter der Körperoberfläche. Wird es zu hell, suchen sie sich schnell wieder ein dunkles Plätzchen. So gehen sie schädlichem Sonnenlicht, Austrocknung und Fressfeinden aus dem Weg.

 

 

 

 

 

Polarisiertes Licht lässt nicht nur (wie hier abgebildet) Kristalle leuchten, sondern hilft auch vielen Tieren, sich trotz bewölktem Himmel am Sonnenstand zu orientieren.

 

 

 

 

 

Meeresleuchten ist ein Naturphänomen, das es rund um den Globus gibt. Wenn es nach den Plänen des französischen Start-ups Glowee geht, holen wir uns das Meeresleuchten bald in die gute Stube, wo die lumineszenten Mikroorganismen in organischen Lichtsystemen die elektrische Beleuchtung ersetzen sollen.

 

 

 

 

Das niederländische Social Design Lab „Studio Roosegaarde“ hat sich Gedanken gemacht, wie man Radfahrern im Dunkeln die Orientierung erleichtert. Die Lösung sind phosphoreszierende Steine, die in den Radwegbelag eingebracht werden. Sie tanken tagsüber Sonnenlicht und geben es nachts langsam wieder ab, sodass man auch ohne Straßenbeleuchtung sicher nach Hause kommt.

 

 

 

Die Sonne sendet nicht nur Licht zur Erde, sondern auch den Sonnenwind, einen Strom elektrisch geladener Teilchen. Wenn diese auf die Erdatmosphäre treffen, ionisieren sie Stickstoff- und Sauerstoffatome. Bei der Deionisierung, nur einen kurzen Moment später, entsteht das Polarlicht. Die Inuit hielten es für eine Brücke ins Jenseits, die von Toten mit Fackeln beleuchtet wird, um Verstorbenen Orientierung zu geben.

 

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